Gasshuku in Loutraki
Bericht vom Gasshuku im Sport Camp von Loutraki bei Athen 3. - 5.6.2005
von Mario Sammarco
Freitag 3.00 Uhr morgens war die Nacht zu Ende. Rüdiger traf um 3.40 Uhr bei Mario ein und wunderte sich, dass dieser um diese Zeit schon durchstartete. Er hatte wohl vergessen, dass Mario Frühaufsteher ist und dass diese Zeit und die folgenden Stunden seine "bioaktivsten" sind. Um 4.00 Uhr trafen wir uns bei Pascal und 5.30 Uhr waren wir dann in Zürich. Um 7.00 Uhr Start nach Mailand und von dort um 12.00 Uhr nach Athen.
Hier haben wir auf Gerhard (Scheuriker, Fudoshin Dojo Jockgrim) gewartet und ab ging es dann per Mietwagen ins Sport Camp nach Loutraki. Nach 80 Minuten Fahrzeit waren wir rechtzeitig zum ersten Training von Sensei Dirk Heene angekommen. Wir übten Tsukis mit verschiedenen Schritttechniken (Yori-, Zugi-, Kae-Ashi), dann in verschiedene Richtungen des Raumes mit Hilfe von Tai Sabaki und Okuri-Ashi. Erweitert wurde das Ganze mit Gyaku-Uraken. Jede Übungsform wurde auch mit einem oder zwei Partnern angewendet. Nach 1,5 Stunden war das Training rum und bei uns die Luft draußen. Abendessen und ein Bierchen als Schlummertrunk am Kiosk und ab ins Bett.
Mario hat am Morgen danach aufgrund der Ohrenstöpsel am längsten geschlafen. Die anderen sind durch das Hundeheulen und Hahnkrähen früh wach geworden. Nach einem kräftigen Frühstück ging es dann bei ca. 30° C zum Training von Sensei Velibor Dimitrijevic. In 2 x 1,5 Stunden (von 11.00 - 14.30 Uhr) legte er seine Schwerpunkte auf Basics, insbesondere Fudo Dachi, Verwurzeln mit dem Boden, verschiedene Atmungstechniken und Hüftvorspannung (Bauch-, Beckenboden- und Gesäßmuskelnvorspannung). Diese Basics galt es in Vorübungen (z.B. isometrische Übungen), dann mit Armtechniken, anschließend in Kombinationen mit Gyaku-Uraken, einzeln, zu zweit und zu dritt zu praktizieren. Zum Schluss sollten dieselben Aspekte in einer langen Kombination von 9 Beintechniken beachtet werden…. da hatte so mancher seine Schwierigkeiten! Das Training wurde vorübergehend unterbrochen, um Frau Kase mit Tochter Sachiko zu begrüßen. Frau Kase hielt eine emotionale, ergreifende Rede und bedankte sich beim Shihankai für dessen Unterstützung und für das Bestreben das Lebenswerk von Shihan Kase zu sichern, zu erhalten und fortzuführen. Frau Kase und Tochter schauten sich das Training noch bis zum Ende an. Dann stellten sich die Karateka der anwesenden Nationen vor: Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Finnland, Griechenland, Irland, Israel, Italien, Portugal, Scottland, Schweden, Serbien, Slowenien, Spanien und Südafrika.
Anschließend gab es nur noch ein Ziel: Trinken, viel trinken, noch mal trinken und… auch essen. Vorher aber duschen und nasse Klamotten aufhängen, an Wäscheleinen direkt in der Sonne (echter Luxus!).
Um 18.00 Uhr wurde zu einer Versammlung aller Mitglieder der Shotokan Ryu Kase Ha Instructor Academy geladen, bei der auch Frau Kase mit Tochter anwesend war. Dirk Heene informierte über den bisherigen Entwicklungsprozess vor und nach Sensei Kases Tod und über die geplanten Schritte. Anschließend stand der Shihankai für Frage und Antwort zur Verfügung. Zum Schluss bedankte sich Dirk Heene für die gute Zusammenarbeit in den bisherigen Sitzungen des Shihankai.
Anschließend Abendessen, dann Ausklang am Kiosk beim „Pool“ (Sportbad), bei mediterraner Atmosphäre. Hier wurden die internationalen, familiären Kontakte zwischen den Instruktoren in "hochqualifizierten" Gesprächen, bei entsprechenden Getränken, weiter gefestigt, wie zuvor schon in den Trainingseinheiten (dort allerdings auf eine härtere, solidere Weise!).
Sonntagmorgen. Pascal entwickelte sich zum Frühaufsteher: Um 6.30 Uhr konnte er dem Heulen der Hunde und dem Krähen der Hähne nicht mehr widerstehen, verließ unser "Bungalow" und meditierte draußen über das bevorstehende Training, das er um 9.00 Uhr geben würde. Um 7.00 Uhr dann allgemeines erschrecktes Aufwachen von Rüdiger und Gerhard: Mario hatte im Nassbereich den Kulturbeutel fallen lassen und den kompletten Inhalt auf den Boden verteilt (seine Reaktionen lassen nach!).
Nach dem Frühstück dann das Training mit Sensei Pascal Petrella. Aus geplanten 2 Stunden wurden schweißtreibende 3 Stunden. Als Aufwärmung ließ Pascal das Training mit lockerem Randori anlaufen. Weiter ging es mit (den Müllheimern bekannten) Atmungsübungen, insbesondere wurde das Einatmen mit scharfer, schneller Anspannung im Hara-Bereich in der Endphase der Einatmung geübt. Auch höhergraduierte Karateka hatten hierbei Schwierigkeiten. Das Ganze sollte dann anschließend angewendet werden bei der Ten-No-Kata und beim Kumite (mit geschlossenen Handtechniken). Erweitert wurde das Kumite zunächst mit Hentei-Kontertechniken, dann mit Gyaku-Uraken. Als Nächstes folgten Übungen zur Schulung der Reaktion auf sensorischen Reizen taktiler bzw. optischer Art, in Verbindung mit Atobaya; dann Kumite-Übungen mit Sanbon Tsuki als Angriffskombination. Zum Schluss wurde die Cattle-No-Naihanchi (eine Tekki 2 - Variante) erarbeitet und mit Bunkai vertieft. Nach 3 Stunden Training mit 2 kurzen Unterbrechungen war der Gasshuku 2005 in Loutraki, Griechenland nun leider zu Ende und somit auch der Aufenthalt in einer reizenden Umgebung am Meer, bei schönstem Wetter.
Auch das Sport Camp hat sich als optimal erwiesen: Günstige Übernachtung und Verpflegung (Vollpension), ausreichend sanitäre Anlagen, viele Sportstätten, Sporthalle, Waschmaschine, Trockner, aufgespannte Wäscheleinen draußen, Kiosk und vor allem alles in "Schlenderentfernung".
Am Flughafen wurde uns allerdings anders zumute, als uns beim Check-in gesagt wurde, dass unsere Maschine 40 Minuten Verspätung hatte und wir unseren Anschlussflug in Rom nicht mehr erreichen würden. Aber die hübsche braunäugige Dame zeigte sich sehr hilfsbereit und buchte uns kurzfristig in eine Maschine einer anderen Fluglinie um. Im Laufschritt ging es zum Gate. Alles Weitere verlief dann problemlos, so dass wir ca. 0.30 Uhr daheim waren.
Hintergründe: Der Gasshuku in Loutraki war ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gründung eines offiziellen Verbandes mit dem Namen "Kase Ha Shotokan Ryu Karate Do Academy (KSKA)", der Sensei Kases Lebenswerk erhalten, in seinem Sinne fortführen will und die vielen Schüler in Europa und weiter weg, die ihm überall hin gefolgt sind, diese große Familie zusammen zu halten. Frau Kase wird Ehrenpräsidentin dieses Verbandes sein.
Die gesundheitliche Entwicklung Sensei Kases schon einige Jahre vor seinem Tod machten Überlegungen über die Zeit seiner Krankheitsperioden, wo er keine Lehrgänge halten konnte, und die Zeit nach seinem Tod notwendig. In Gesprächen mit Sensei Kase wurden die Sorgen vorgetragen. Das Ergebnis dieser Gespräche:
Gründung eines Shihankai, der den Meister in allen Belangen unterstützt(e). Die Mitglieder wurden von Sensei Kase bestimmt.
die kontinuierliche Fortführung der Lehrgänge (auch ohne den Meister, gehalten von hochqualifizierten Schülern), der Kontakt untereinander blieb somit erhalten.
die Entwicklung eines Prüfungsprogramms auf Sensei Kases Karate zugeschnitten.
Sensei Kase und seine Schüler waren spürbar erleichtert (so Pascal Petrella) als diese Absichten reale Formen annahmen. Der schmerzhafte Verlust, der mit dem Tod des Meisters im vergangenen November eintrat, bestätigte die Notwendigkeit der rechtzeitig eingeleiteten Schritte.
Ein erstes Treffen des Shihankai nach dem Tod von Sensei Kase fand beim Lehrgang in Hasselt/Belgien (13.-15.5.05) statt, das zweite Treffen jetzt in Loutraki. Die freundschaftlichen Beziehungen, die über die Jahre gewachsen sind, und der respektvolle Umgang miteinander, waren gute Voraussetzungen für die Arbeitsgespräche dieser Gruppe hinsichtlich weiterer notwendiger Schritte (siehe oben). Detailliertere Informationen kann man nachlesen in unserer Homepage / Newsletter 6 und 7 (2005) vom Shotokan Ryu Kase Ha Instructors Academy (SRKHIA).
In Müllheim wurde mit der Durchführung von Lehrgängen mit Dirk Heene (Schüler von Sensei Kase seit ca. 1970) ab 1984 eine neue Ära eingeleitet. Die neue Entwicklung mündete fast zwangsläufig in Lehrgänge mit Sensei Kase zunächst in Freiburg 1996 und 1997, ab 1999 dann in Müllheim. Alle Lehrgänge von Pascal Petrella organisiert, der ab 1993 einen immer engeren Kontakt zum Sensei bekam und an der Entwicklung der letzten Jahre und der momentanen Geschehnissen entscheidend mitbeteiligt war und ist. Darauf sind wir als Müllheimer Dojo, bei aller Bescheidenheit, auch ein wenig stolz.